„Alevi“ bedeutet übersetzt etwa so viel wie „Anhänger:in Alis“. Ali war der Schwiegersohn des Propheten Muhammed. Wie Schiit:innen empfinden Alevit:innen es als Unrecht, dass Ali bei der Wahl zum Nachfolger Muhammeds übergangen wurde, und trauern um seine ermordeten Nachfahren. Alevit:innen sehen sich auf „dem ursprünglichen Weg (Yol) des Islam“, der sie durch verschiedene Bewusstseinszustände oder Verständnisebenen, die Vier Tore, immer näher zur mystischen Vereinigung des Menschen mit Gott (Tevhid) führt.
Seit wann gibt es das Alevitentum?
Der alevitische Glaube lässt sich seit dem 13. Jahrhundert in Anatolien nachweisen. Wie die schiitische Tradition des Islam (und im Gegensatz zur sunnitischen) beruft er sich auf die "ahl ul-bait“, auf Türkisch "Ehlibeyt“, die Familie des Propheten Muhammed, seiner Tochter Fatima und seines Schwiegersohns Ali. Seit den 1990er Jahren fordern alevitische Dachverbände in Europa, dass ihr Glaube als eigene Religion anerkannt wird. Nach und nach teilen auch immer mehr Religionswissenschaftler: innen diese Einschätzung.
Woran wird geglaubt?
Nach alevitischer Vorstellung kommen der Schöpfer (Hakk), der Prophet Muhammed und dessen Schwiegersohn Ali gleichermaßen aus dem Ewigen Licht. Ziel des alevitischen Lebens ist es, selbst in diesem Licht aufzugehen wie ein Tropfen in einem Ozean. Erreicht werden kann diese Vereinigung dadurch, dass die Menschen sich bemühen, negative Eigenschaften wie Hass, Habgier, Geiz oder Egoismus abzustreifen. Bis die Gläubigen sich schließlich mit Hakk vereinigen, haben sie die Möglichkeit, sich durch Wiedergeburt der Seele in einem neuen Körper immer weiter zu entwickeln.
Ein wichtiger Satz im Alevitentum ist …
„Gott ist dir näher als deine Halsschlagader.“
(Qur'an, Sure Qâf, 50:16)
Wichtige Tage im Alevitentum sind:
• Zweite Woche im Februar: Fastenzeit zu Ehren des Heiligen Hızır
• 21. März: Geburt Alis
• Im islamischen Monat Muharrem: 12-tägiges Fasten zum Gedenken an die Ermordung des Prophetenenkels Hüseyin
Wie wird der alevitische Glaube gelebt?
In der religiösen Zusammenkunft „Cem“ kommen Frauen und Männer nebeneinander im Halbkreis
zusammen. Dabei spielen religiöser Sprechgesang zur Saz (Langhalslaute) und das Drehen des Semah, des rituellen Reigentanzes, eine wichtige Rolle. Die Geistlichen, Dede genannt, führen ihre Abstammung direkt auf den Propheten Muhammed zurück. Alevit:innen deuten das Leben des Propheten und die Suren des Qur'ans nach einer inneren, verborgenen Lesart (batın) und leiten keine konkreten Gesetze für das tägliche Leben aus ihnen ab. Viele meiden jedoch Hasen-, Kaninchen- und Schweinefleisch.